Der Lappland Ultra am 28. 6. 2002 in Adak / Schweden
Heja heja auf nach Adak.
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22.00 Uhr in Adak, es ist taghell und die Sonne scheint sogar ein wenig.
Seit 4 Stunden sind bereits 10 Walker bzw. Jogger auf der 100 km langen
Marathonstrecke. Pünktlich fällt der Startschuß und das
international besetzte Läuferfeld aus Schweden, Norwegern, Finnen,
einem Italiener und zwei Deutschen setzt sich in Bewegung. Vergessen ist
jetzt die Vorbereitungszeit mit einigen Verletzungen die mein Vorhaben
bis zur letzten Sekunde spannend hielten. Mit angezogener Handbremse trainierte
ich die letzten Wochen und mein Orthopäde Dr. Zepp tat alles, um
mein rechtes Knie und den rechten Oberschenkel wieder fit zu machen. Es
sollte nämlich mein erster Ultra sein und den wollte ich dann auch
an diesem besonderen Ort starten. Die Anmeldung hatte ich Online im Internet
schnell getätigt. www.laplandultra.nu
Das Startgeld inkl. Pastaparty gab ich einem Bekannten, der zufällig
nach Schweden flog mit.
Eine Unterkunft für fünf Tage zu finden war auch kein Problem,
ein Zimmer direkt in Startnähe buchte ich bei Annika Johannson, die
im Organisationskomitee tätig ist. Die Flüge mit den richtigen
Anschlüßen in Kopenhagen und Stockholm organisierte das Reisebüro
Traveller Agentur für individuelle Reisen, in Köln. Fertig!
Vom Airport Düsseldorf aus ging dann mein Flug über Kopenhagen,
Stockholm-Arlanda und weiter mit einer kleinen Fokker nach Arvidsjaur.
Die letzten zwei Flugstunden mit der kleiner Proppelermaschine werden
mir unvergessen bleiben, endlose Wälder, unzählige blaue Seen
bis zum Horizont. Es ist Mitsommer und die Sonne geht hier am Polarkreis
für einige Wochen nicht mehr unter. Am Airport Arvidsjaur wurde ich
pünktlich mit dem Auto abgeholt. Auf der Fahrt nach Adak liefen uns
ersteinmal ein paar Rentiere über die Straße. Völlig normal
hier meinte Annika, nur das Vorsicht geboten ist, weil die Tiere sonst
in Panik geraten könnten.
In Adak, einem verträumten 250 Seelen Ort, der früher einmal
Treffpunkt von tausenden Minenarbeitern war, die Zink-Silber-Kupfer und
angeblich auch Gold abgebaut haben sollen, macht sie noch eine kleine
Rundfahrt, um mir alles wichtige, wie den Konsum und das Freibad zu zeigen.
Im Ort selber weist bis auf ein A3 Plakat neben dem Konsum nichts auf
den Lappland Ultra hin. Am Starttag selber ist schon eine gewisse Unruhe
zu spüren. Männer sprühen mit gelber Farbe die Startlinie
auf die Straße und es werden Kilometerschilder rund um den Ort aufgestellt.
Eine Oldsmobile Car Show stellt sich in Formation auf dem Parkplatz vor
das Schulgebäude, dass jetzt Treffpunkt und erpflegungsstation für
die Teilnehmer und Besucher des Ultra ist. Um 15 Uhr ist Startnummernausgabe
bei der jeder Läufer zwei Nummern überreicht bekommt. Eine Nummer
beinhaltet einen kleinen Beutel für Eigenverpflegung, die andere
ist für den Rücken. Außerdem kann hier jeder Läufer
einen oder mehrere Kleiderbeutel für einen bestimmten Punkt der Laufstrecke
abgeben. Ich entscheide mich für Wechselkleidung bei Kilometer 42.2
und Kilometer 86.1. Die ich später nicht brauchte. Am Vorabend fand
hier in der Schule die Pastaparty statt. Es gab Nudeln mit Fleischklößchen
und Salat. Alle Einwohner von Adak nahmen an dem Ereignis teil. Bei dieser
Gelegenheit konnte man seine Mitläufer zum ersten Mal kennen lernen
und Erfahrungen vom Vorjahr austauschen. Eine nette Atmosphäre zum
Plaudern.
Die Sonne ist noch angenehm warm und es ist noch trocken, als wir die
ersten 10 Kilometer hinter uns lassen Es geht lange bergab. Ein riesiger
Troß von Fahrzeugen und Radfahrern begleitet uns. Entlang der Strecke
stehen unzählige Menschen und feuern uns mit Heja heja
Rufen an. Es geht auf Mitternacht zu. Leider beginnt es jetzt ein wenig
zu nieseln, als wir von der Straße auf den Schotterweg in den Wald
biegen. Alle 5 km befindet sich eine Verpflegungsstation, an der die Zwischenzeit
der Läufer genommen wird und Erfrischungen von Wasser bis Kaffee,
sowie Brot, Schokolade und Blaubeeren stehen hier zur Verfügung.Der
weitere Weg ist mit grobem Kies bestreut und schwer zu laufen, aber ich
finde immer wieder schnell eine Fahrrinne rechts und links des Weges,
in der ich gut vorwärts komme. Es wird merklich kühler im Wald.
Bei km 28 erreichen wir den ersten längeren Anstieg hinauf zur Staumauer
des Wasserkraftwerkes Korsningen. Ein erstes Gehen ist angesagt, um Kräfte
zu sparen. Zum Hauptfeld habe ich immer noch Sichtkontakt. Nächste
Station 42,2 km Marathon, es ist 3 Uhr nachts. Ich trinke ein bißchen
Cola und nehme einen größeren Happen, etwas Brot und Schokolade,
zu mir. Ich habe Magenschmerzen seit einiger Zeit, wahrscheinlich von
den vielen Isotonischen Getränken, die ich an den vorherigen Verpflegungsstellen
immer getrunken habe.
Hier wird auch eine Massage angeboten, ich fühle mich jedoch noch
gut und mache mich rasch wieder auf den Weg. Ich überhole auf den
nächsten Metern noch einige Läufer und Walker, sowie einen der
beiden schwedischen Soldaten die ich vom Start her immer weit vor mir
sah. Doch wo ist der andere?
Mein deutscher Mitläufer aus Hamburg, Peter Rheinländer ist
hier, wie ich später erfuhr mit Oberschenkelbeschwerden ausgestiegen.
Schade! Ein wunderbarer Ausblick bietet sich entlang dem Stausee. Es wird
langsam immer kälter. Es muß weit unter 10 Grad sein. Das Straßenprofil
wechselt bei Kilometer 52 auf Asphalt, ein endloser Highway, mit leicht
angehenden Höhenunterschieden von 100 Metern liegt vor mir. Der Regen
wird immer stärker und der eiskalte Wind bläst mir, inzwischen
alleine auf der Strecke, mächtig ins Gesicht. Ein Fuchs läuft
mir fast vor die Füße, wahrscheinlich habe ich ihn durch meine
lauten Selbstgespräche aufgeschreckt. Ein Elch wäre mir lieber
gewesen, doch die liegen wahrscheinlich irgendwo im trockenen Gras und
lachen über mich. Straigt thrue the Village ruft mir
ein Streckenposten in Slagnäs bei km 64 zu, als ich den noch schlafenden
Ort durchlaufe. Keine müde Seele ist hier zu sehen und ich muß
mich auf die Hinweisschilder konzentrieren. Die nächste Verpflegungsstelle
sehne ich herbei, meine Kräfte lassen langsam etwas nach und es regnet
immer noch. Lkws donnern verdammt nahe an mir vorbei und hinterlassen
immer eine Wasserfontaine, die mir ins Gesicht bläst. Das ist schon
sehr unangenehm, weil man sich nicht davor schützen kann.
Der fahrende Doc kommt alle Stunde in seinem Wagen vorbei und erkundigt
sich sorgenvoll nach meinem Befinden. Everything allright
antworte ich jedesmal. Was auch sonst. Meine Magenschmerzen von Kilometer
30-50 hat die begleitende Ärztin, die auch die Strecke betreut, wunderbar
versorgt. Auf diesem Streckenabschnitt gilt es noch ca. 100 Höhenmeter
zu überwinden. Kurz hinter Slagnäs bei km 69,2 ist die nächste
Verpflegungsstation. Hier wird im hinteren Gebäude auch eine Massage
angeboten. Doch als ich sehe, dass sich dort einige Läufer aufhalten,
trinke ich nur kurz etwas warmes Wasser mit Cola und mache mich schnell
wieder auf die Piste. Ich schaue mich noch lange um, ob nicht einige Läufer
versuchen mich wieder zu holen. Doch ich habe Glück, sie sind wahrscheinlich
kaputter wie ich. Ob es diesbezüglich noch eine Steigerung gibt?
Kilometer 86, ein herrlicher Ausblick auf die wunderschöne Seenlandschaft
breitet sich vor mir aus. Ich bekomme auf einmal Schüttelfrost und
friere heftig in meiner kurzen Hose. An alles hatte ich beim Packen gedacht,
jedoch eine lange Laufhose ist mir nicht in den Sinn gekommen. Das rächt
sich jetzt bitterböse. Eine schmale Brücke führt hier über
den riesigen Stausee und zu meiner Überraschung stehen dort eine
Menge Menschen im Regen und versuchen mich mit lautem Heja heja
anzufeuern. Ich entdecke unter den Passanten auch meinen Vermieter,
der hier mit seinem Schneescooter versucht, sich so lange wie möglich
auf dem Wasser zu halten. Unvorstellbar für uns, aber er muß
es 20 Sekunden geschafft haben, als er das rettende Ufer erreichte. Mir
ist das Publikum an der Wegstrecke eher peinlich, weil sich eine riesige
Wasserblase unter meinem rechten Fuß gebildet hat und mir das Laufen
jetzt richtig zur Qual wird. Der anhaltende Regen hat meine Schuhe und
Socken völlig durchnäßt. Die Blase aufmachen ist auch
nicht drin, weil ich im Moment keine trockenen Socken dabei habe. Als
Zähen zusammenbeißen und weiter. Doch der Gedanke, dass ich
noch einige Läufer hinter mir weiß, läßt mich nicht
müde werden. In Gedanken sage ich alle Läufe die ich noch bis
zum Köln-Marathon machen wollte ab. Schnauze voll ! Es ist 11.00
Uhr morgens als ich endlich den Ortseingang von Adak erreiche. Die letzten
10 Kilometer laufe ich bzw. walke ich nur noch, an der letzten Verpflegungsstelle
ohne Halt vorbei. Bei Kilometer 99 gehts am Konsum vorbei und dann
links in die Kurve und schon befinde ich mich im Zieleinlauf. Natürlich
hört der Regen ausgerechnet jetzt auf. Gemein! Jubelnde Menschen
erwarten mich mit Applaus und Lautsprecheransage.
Ich kann mich tatsächlich noch einmal aufraffen und lächelnd
durch das Ziel laufen. 14.57 Stunden, eine Grottenschlechte Zeit, ich
weiß. Platz 12 sollte es am Schluß sein, von 35 gestarteten
Läufern und einziger Deutscher. Ich bin zufrieden, weil ich es tatsächlich
geschafft habe. Und noch nicht einmal als letzter. Fünf Stunden nach
mir sollte tatsächlich der letzte Läufer das Ziel erreichen.
Ganz schnell werde ich zum Finnisherfoto mit einer Samifrau geführt.
Dieses Bild ziert später meine Urkunde.
Jetzt heißt es erst einmal unter die heiße Dusche und dann
zur Massage, die Wunden verarzten und bis zur Siegerehrung ein wenig schlafen.
Die angewärmte Sauna lasse ich leider aus. Eine kleine, aber feine
Medaille wird jedem Finnisher etwas später persönlich bei der
Siegerehrung überreicht. Sieger wurde der Vorjahressieger aus Norwegen
Eiolf Eivindsen. Ein wunderbarer, schwerer Lauf, der bis auf das Wetter
genau der richtige Einstieg für meinen ersten Ultralauf war. Ich
werde aus meinen Fehlern lernen und beim nächsten Mal noch besser
vorbereitet sein. Vielleicht hier? Allen die mit dem Gedanken spielen
auch einmal den Lappland Ultra zu laufen möchte ich nur zurufen
Heja heja auf nach Adak . Übrigens, meine abgesagten
Läufe werde ich trotzdem machen.
Berndt Pfeifer
www.laplandultra.nu
www.woodcut-pfeifer.de
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