Biel, ich komme wieder
zurück
Bericht vom 100-km-Lauf in CH-Biel/Bienne 2001 !
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von Josef Nefzger Am Donnerstag, 07.06.01, war es wieder soweit. Der weltweit
teilnehmerstärkste 100-km-Landschaftslauf in CH-Biel/Bienne stand
auf dem Programm. Wir, das sind Manfred (aktiver Teilnehmer beim 1. 24-Std-Lauf
von Flörsheim), Stephan (international erfahrener IVV-Wanderer aus
Buchloe, Heiner (zum 33. Mal ohne Unterbrechung in Biel am Start) und
meine Wenigkeit. Wir vier sind fest entschlossen, und haben uns zum Ziel
gesetzt, beim diesjährigen 100-km-Lauf das Ziel in der vorgegebenen
Zeit von maximal 22 Std. zu erreichen.
Ohne Manfred (der leider keinen Urlaub bekam) fahren wir zu dritt am frühen
Vormittag in Bad Wörishofen los und wollen gegen Mittag bereits in
Biel sein, um das Quartier in der Zivilschutzanlage zu beziehen. Ich sitze
am Steuer und fahre ohne Probleme Richtung
100-er Hochburg nach Biel. Heiner ist während der Fahrt aufgefallen,
dass mein linker Fuss mitunter etwas zitterte, aber dies stellt kein Problem
dar.Nach vier Stunden Fahrt mit Stop in CH-Würenlos erreichen wir
das Ziel und haben das Glück, einen schattigen Parkplatz nur ca.
100 mtr. von der Unterkunft entfernt zu ergattern.
Die reservierten Schlafplätze werden nachmittags zu einem ersten
Nickerchen getestet und für gut befunden. Schon seit elf Jahren,
meiner ersten 100-km-Teilnahme, lege ich großen Wert darauf, bereits
donnerstags, also einen Tag vor dem Lauf anzureisen, um die nötigen
Ruhepausen zu geniessen, da man ja von Freitag auf Samstag in der Nacht
nicht schläft, sondern läuft.
Am späteren Donnerstagnachmittag holen wir unsere Startunterlagen
im Eisstadion ab. Alle Teilnehmer erhalten einen Gutschein für das
abendliche PASTA-Festival. Dieses sehr geschätzte und stärkende
Spaghetti-Essen geniessen wir am frühen Abend und lassen uns ein
paar Bierchen in geselliger Runde schmecken. Wir schätzen das fröhliche
Beisammensein im Kreise von Gleichgesinnten und rätseln, wie wohl
das Wetter morgen sein wird, am Freitagabend so gegen 22 Uhr ? Es besteht
hierbei im Festzelt die Möglichkeit, als Erinnerung an die "Nacht
der Nächte" verschiedene T-Shirts und Sweatshirts käuflich
zu erwerben. Es versteht sich von selbst, dass wir zumindest ein T-Shirt
als Souvenir mitnehmen..
Gegen 22 Uhr ziehen wir uns in das Schlaflager Sahligut (36 Sportler in
einem großen Raum) zurück und schlafen fest ein; wenn da nur
nicht ein paar wenige Schnarcher wären. Aber, wir haben ja die Bierprobe
(Amstel-Bier) bereits hinter uns und somit kein besonderes Problem mit
den "Sägern" !
Am Starttag, dem Freitag, geniessen wir nach dem Frühstück die
freien Stunden zu einem Stadtbummel. Jeder Teilnehmer erhält ein
Gratis-Ticket, gültig für den Bus- und Bergbahnbetrieb. Wir
fahren mit der Schrägbahn, der Leubringenbahn, ein paar hundert Höhenmeter
hinauf und genießen die nicht gerade üppige Aussicht. Nach
einem kurzen Sparziergang fahren wir wieder hinunter in die Stadt und
gehen zum Mittagessen in den MIGROS, preislich erschwinglich und von guter
Qualität. Gegen 14 Uhr kommen wir zurück und nun ist Ausruhen
angesagt. Wir dösen und schlafen und bereiten uns bereits psychischauf
den bevorstehenden Start um 22.00 Uhr vor. Wie wird das Wetter wohl sein,
was ziehe ich an und was nehme ich ansonsten noch mit ?
Die Neulinge erkennt man hier sehr schnell daran, daß sie bereits
Stunden vor dem Start mit dem Anziehen experimentieren und eine verständliche
Nervosität gut erkennbar ist. Hingegen die "alten Hasen"
bleiben liegen bis ca. 21 Uhr, und ziehen sich dann erst an.
Kurz vor 21.30 Uhr, wo wir uns nun Richtung Startgelände begeben
wollen, daß ca. 1 km von der Unterkunft entfernt liegt, schallt
es durch den Raum : Leute, es regnet sehr stark, Petrus hat sämtliche
Schleusen weit geöffnet. Also Regenjacke und Regenschirm mitnehmen
!
Am Eisstadion gegen 21.45 Uhr angekommen, treffen wir uns zu einem letzten
Meinungsaus- tausch und bewegen uns langsam zur Startaufstellung. Die
Ansagen in verschiedenen Sprachen begrüßen die ca. 2000 Teilnehmer,
unterbrochen im Minutenabstand mit dem Hinweis auf den bevorstehenden
Start. Dann ist es endlich soweit : 5 4 3 2 1 START
Die Menge beginnt langsam sich zu bewegen, der Moderator wünscht
allen Aktiven eine gute Nacht und einen erfolgreichen Lauf und eine gesunde
Ankunft am Samstag imVerlaufe des Tages. Die maximale zur Verfügung
stehende Zeit beträgt 22 Stunden.
Wir laufen los, zunächst durch die Stadt, wo Tausende von Menschen
begeistert die Sportler anfeuern, viele Kinder strecken die Hände
zum Abklatschen aus. Es ist trotz dem vielen Regen nicht kalt; im Gegenteil,
die Stadt ist richtig aufgeheizt, das Thermometer zeigt um 22.15 Uhr noch
15 Grad. Uns wird es sehr schnell mächtig warm. Eine tolle Stimmung
durch die ersten sechs Stadtkilometer, bis es hinausgeht und der erste
1,5 km lange Anstieg beginnt. Die Nacht der Nächte hat begonnen,
noch haben wir immerhin noch gute 90 km zu laufen. Leider beginnt es schon
wieder zu regnen. Beim Start und die nächsten Minuten danach hatte
es tatsächlich mal kurz aufgehört.
Die Mitnahme einer Taschenlampe erweist sich rasch als sehr passend, wenn
es teilweise wirklich stockdunkel durch den Wald geht. Mit dem Regen haben
wir uns schnell abgefunden, sind entsprechend vernünftig gekleidet
und somit für die große bevorstehende
Ausdauerleistung gut gerüstet.
Auf der ganzen Strecke von 100 km sind 17 Verpflegungsstationen eingerichtet,
wo ausreichend Brot, Äpfel, Bananen, Müsli-Riegel aufgenommen
werden können. Die Palette der angebotenen Getränke besteht
aus Wasser, Tee, Bouillon, sowie verschiedene elektrolythaltige Drinks.
Es ist erstaunlich, wieviel Flüsssigkeit der Körper während
so einer langen Strecke aufnehmen kann, bei mir ca. 10 ltr.!
Der viele ergiebige Regen hat gerade die nicht asphaltierten Streckenabschnitte
in wahre rutschige Schlammwüsten verwandelt, wo etwas Vorsicht angebracht
ist. Dieses wirklich schlechteste Wetter seit dem Jahre 1983 läßt
keine Rekordzeiten erwarten und dadurch ist auch die Siegerzeit bei den
Männern rd. 30 Minuten hinter den sonstigen Erwartungen zurück.
Während ich traditionsgemäß die ersten sechs km durch
die Stadt mit dem "Haufen" mitjogge, wird mir schnell klar,
daß ich um zu bestehen, meine Kräfte einteilen muß. Dies
gelingt mir recht gut, ich finde zu einem Marschtempo, wo mein Tremor
über lange Zeit sich ruhig verhält und mir deshalb die "Nacht
der Nächte" viel Spaß macht, auch deshalb, weil ich muskulär
keinerlei Probleme verspüre.
Meine Kameraden Stephan und Manfred sind wesentlich schneller unterwegs
und sehr ehrgeizig, das hoch gesteckte Ziel in einer guten Zeit zu erreichen.
Stephan ist ein sehr erfahrener IVV-Wanderer, aber zum erstenmal in Biel
am Start. Manfred war bereits zweimal in Biel erfolgreich, hat aber dieses
Jahr bereits über zehn Marathons in mehreren Ländern mit Bravour
teilgenommen. An dieser Stelle sei noch Heinrich erwähnt, den ich
seit meiner ersten Stunde in Biel im Jahre 1990 kenne und inzwischen eine
starke dauerhafte Freundschaft daraus entstanden ist. Man bedenke bitte,
er ist in Biel ununterbrochen zum 33. Mal gestartet und hat das Ziel in
diesem Jahr nach 18.31 Stunden erreicht, er ist bereits über 60 Jahre
alt und topfit.
Für Neueinsteiger beim 100-er in Biel besteht die Möglichkeit,
eine Teilstreckenwertung zu erreichen. Wenn die Kräfte für die
ganz lange Strecke noch nicht ausreichen; kann der Lauf in Oberrramsern
nach ca. 38 km, nach ca. 58,5 km in Kirchberg sowie nach ca. 82 km in
Gossliwil vorzeitig beendet werden. Aber man wird rangiert und erhält
eine sehr schöne Medaille.
Der Regen begleitet uns nun nahezu ununterbrochen und der Spaß leidet
nun doch etwas darunter. Am Stützpunkt in Kirchberg nach 58,5 km
angekommen, entschließe ich mich zu keiner Ruhepause, weil die Kräfte
noch ausreichend vorhanden sind. Ich nehme mir vor, bis zur 70-km-Marke
zu wandern. Ohne Probleme dort nach knapp zwei Stunden angekommen, genieße
ich exakt 10 Minuten Liegepause, werde von sehr fleißigen und freundlichen
Helferinnen warm eingepackt und regeneriere sehr schnell. Nun heißt
es den höchsten Punkt anzusteuern, und zwar in Gossliwil bei km 82,2
! Schritt für Schritt geht es weiter, genieße links und rechts
die schöne Landschaft und sehe bald Gossliwil in greifbarer Nähe.
Dort angekommen, werden erneut Verpflegung und Getränke aufgenommen,
um auch den letzten Abschnitt zu bestehen.
Es geht nun nach Arch km 87.5 hinunter, wobei es einen km lang recht steil
hinunter geht und die Oberschenkel ziemlich beansprucht. Erneut gestärkt
verläuft die Strecke nun weiter nach
Grenchen und danach über freies Feld Richtung Pieterlen, km 93.5
! Wenn dieser Punkt er-
reicht ist, kommen langsam aber sicher die ersten Glücksgefühle
auf, man könnte es tatsächlich bald geschafft haben.
Auf einem Waldabschnitt verlaufen nun die letzten km, die ab Marke 95
einzeln angezeigt werden. Ca. 3,5 km vor dem Ziel, eine letzte Getränkeaufnahme
im Wald, und weiter geht es Richtung Biel, das große Ziel nach 100
km, das Eisstadion von Biel, ist zum Greifen nahe gerückt. Es kommen
aufmerksame Beobachter entgegen und gratulieren bereits zu einer großen
Leistung. Dann endlich, nach 98,5 km komme ich aus dem Wald heraus.. Der
letzte km wird aufgeregt angegangen, ca. 200 mtr. vor dem Ziel klatschen
viele Zuschauer begeistert Beifall, egal, wie lange man gebraucht hat,
da jeder der das Ziel erreicht hat, ein Sieger ist.
Nach 17 Stunden und 31 Minuten habe ich wieder das Ziel in guter Verfassung
erreicht, bin happy, auch deshalb, weil ich meinen PARKI, den Tremor,
stets sehr gut unter Kontrolle halten konnte und eigentlich gar keine
Behinderung darstellte. Ich habe mich nicht verausgabt fühle mich
sogar noch so gut, verzichte auf die Fahrbereitschaft zur Unterkunft und
laufe auch diesen Kilometer noch.
Dort angekommen, freue ich mich auf die warme Dusche, auf ein paar Stunden
Schlaf und auf ein gutes Abendessen mit anschließender Nachtruhe.
Nach zwei Bier als Dämmerschoppen schlafe ich recht gut, stehe am
Sonntagfrüh bereits um 05.00 Uhr auf, packe zusammen und nach einem
kräftigen Frühstück verlassen wir drei wieder BIEL und
fahren glücklich und total zufrieden zurück in die Heimat. Manfred
ist bereits gestern abgereist, weil er sicherlich im eigenen Bett viel
besser ausschlafen kann. Nach vierstündiger Nonstop-Regenfahrt erreichen
wir Bad Wörishofen, nehmen wir in einer gemütlichen Gaststätte
ein Mittagessen ein.
Kurz nach 13 Uhr trennen sich unsere Wege und so geniessen wir den restlichen
Sonntag, um am Montag wieder für den beruflichen Arbeitstag gerüstet
zu sein.
ENDE GUT ALLES GUT BIEL 2002 WIR KOMMEN WIEDER
13.06.01/ne
Gisela Steinert |