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Premiere: 17. Juni 2000 LGT-Alpin-Marathon

Hoch-Gefühl

Die hohe Schule des Laufens hat einen neuen Namen. LGT-Alpin heißt ein Marathon in Liechtenstein, der wie der Jungfrau-Marathon 1800 Meter in luftige Höhe lockt. Ist das die neue Krönung?

 

„Das ist ja Wahnsinn.“ Immer hektischer presst mein Nachbar die vom Körper erhitzte Luft aus seinen Lungen, immer häufiger schleichen sich stöhnende Laute in den stampfenden Rhythmus seiner Laufschuhe auf megasteilem Asphalt. Ein Blick zur Seite zeigt: Der läuft am Limit.
Am Limit seiner Kräfte, am Limit seiner Vorstellung, was ihm möglich ist. Dabei haben wir erst 15 Kilometer von 42,195 Kilometern hinter uns. Etwas mehr als ein Drittel der Premiere des LGT-Alpin-Marathons in Liechtenstein am 17. Juni 2000. Ein Marathon, der wie der Klassiker „Jungfrau-Marathon“ in der Schweiz die Sportler ebenso über 1800 Höhenmeter in die dünnen Lüfte zwingt, aber anders als der schweizer Bergklassiker die Läufer zwischendurch 650 Meter wieder abwärts schickt. „Auch wenn die rund 1800 Höhenmeter dieser beiden Veranstaltungen identisch sind, das unterschiedliche Profil fordert neue läuferische Qualitäten“, meint Hannes Willinger (42), Initiator des LGT-Alpin und selbst fünffacher Finisher des Jungfrau-Marathons. Während die Schweizer die Läufer vor dem Gipfelsturm zur Kleinen Scheidegg hinauf in 2091 luftige Meter zuvor im Tal einen ausgewachsenen Halbmarathon laufen lassen, verkürzen die Liechtensteiner die Flachetappe bis zum Berg durchs Rheintal auf einen 10-Kilometer-Lauf – vom Start bei Schaan weitestgehend über den Rheindamm bis nach Vaduz, wo sich am frühen Morgen (Start war um 9.30 Uhr) Einheimische und Touristen an die Strecke verirrten.
Auch mir rinnt der Schweiß, genauso wie meinem immer häufiger stöhnenden Mitstreiter, unablässig von der Stirne über die Nasenwurzel in die Augen. Das Singlet hat sich am Rücken verklebt. Es ist heiß an diesem Morgen, über den bizarren, schneeweißen Kanten und Spitzen der Liechtensteiner Alpen spannt sich ein blankgeputztes Stahlblau. Und hier unten in den Serpentinen der kleinen Fahrstraße zwischen Vaduz und dem 20-Häuser-Dorf Rotenboden steht die Luft. Endlich Wasser, und auch die Steigung lässt hinter der Trinkstelle etwas nach. Fünf Kilometer bin ich nun seit den malerischen, steilen Gässchen durch Vaduz am hiesigen Triesenberg unterwegs. Seit dem erhaben gelegenen Schloss Vaduz, an dem sich die Pressefotografen tummelten und stapelten, kletterten die knapp 500 Starter (369 im Ziel) 500 Höhenmeter hinauf.
Bloß nicht ans Ziel denken, nur an den nächsten Schritt. Immer wieder streift mein Blick die Pulsuhr, ich habe noch zehn Schläge Karenz bis ans anaerobe Maximum. Ich tripple in kurzen Schritten und habe dadurch genügend Schwung. „Das ist ja Wahnsinn“, stöhnt es plötzlich neben mir und mein Nachbar geht.
Ich hoffe inständig, dass sich mein verhaltener Start im Tal mit einem Schnitt von fünf Minuten pro Kilometer auszahlt. Denn für mich zählt heute nicht die Zeit, sondern die Strecke ist das Ziel und die will ich ohne quälende Durchhänger und Gehpausen gut überstehen.
Während sich meine Beine mechanisch mal über breitere Fahrwege zwischen saftig grünen Wiesenhängen, mal über schmale Pfade unter dichtem Nadelwald Schritt um Schritt nach oben kämpfen, schweifen Blick und Gedanken in die Ferne. Ich erinnere mich an die beiden Marathon-Hitzeschlachten am 14. Mai in Mainz und 3. Juni in Regensburg, die ich als Vorbereitung in meinem Trainingsplaner rot angestrichen hatte. Das Training hatte ich in den letzten drei Wochen verschärft mit Laufeinheiten an drei aufeinanderfolgenden Tagen nie unter zwei Stunden, immer in kupiertem Gelände mit einem An- und Abstieg von 300 Höhenmeter dabei. Danach ein Ruhetag, dann zwei Tage Mountain-Biken mit Anstiegen für die Beinkraft, wieder Ruhetag und dann begann die neue Woche mit dem Laufpensum von vorn.
Ob es sich auszahlt? War die Vorbereitung richtig? Zumindest im Mittelfeld, in dem ich mich zeitlich bewegte, mussten immer mehr Teilnehmer gehen, während ich noch lief.
Bei Kilometer 20 endlich kommt Bewegung in die kräftezehrende Monotonie. Ab der Silumer Kulm in 1539 Metern Höhe geht es erstmal hinab. Ein schmaler Wanderweg schlängelt sich in das 239 Meter tiefer gelegene Tal, dass der Bach Samina über zehntausende von Jahren gegraben hatte. Meine Schritte werden länger, in den Oberschenkeln zieht´s. Doch noch laufe ich vergleichsweise rund und beginne zu überholen. Plötzlich von hinten ein fröhliches Trällern: „Darf ich vorbei?“ Die Startnummer 162, eine Läuferin der W50-Klasse aus dem schwäbischen Ludwigsburg rast leichtfüßig an mir vorbei, so als wäre sie eben erst gestartet.
Doch so schnell wie der Abstieg kam, ist er auch wieder vorbei. Flach führt nun ein Fahrweg zur Hauptstraße, die Vaduz mit dem Marathon-Ziel und Ski-Zentrum Malbun verbindet. Nach 25 Kilometern Einsamkeit in der Liechtensteiner Bergwelt weht ein Hauch Zivilisation herüber. Applaus, Rasseln und Kuhglocken-Gebimmel feuern die Berg-Marathonis an. An dieser fürs Auto bequem erreichbaren Verpflegungsstelle in Steg herrscht Volksfeststimmung.
Die Verpflegung ist perfekt, nie keimte in mir das Gefühl von Durst auf. Auch Energie konnten die Läufer immer reichlich tanken. Bananen und Äpfel standen ausreichend bereit. An dieser Stelle griff ich mit beiden Händen zu. Eine halbe Banane rein in den Mund, eine andere als Reserve in die Hand. So lief ich mit zwei gefüllten Hamsterbacken über den gemäßigt ansteigenden Pfad parallel zum Fluß Samina, der sich plötzlich durch eine tiefe Schlucht hinunter ins benachbarte Österreich verabschiedet.
Zum Glück ist es hier nicht so steil wie auf dem ersten Stück, denke ich und dieser Gedanke ist wohl geboren aus den bislang dreistündigen Strapazen. Das Stück bergab verlieh mir Flügel, doch jetzt wirken die Beine schwer wie Blei. Wo mögen jetzt die Sieger stecken, was haben diese austrainierten „Bergziegen“ heute für ein Gefühl? Während sich diese Fragen im Takt der Schritte durch meine Gehirnwindungen schieben, läuft Urs Christen mit hochgerissenen Armen in Malbun locker als Erster ins Ziel. Seine Zeit: 3:04:50 Stunden, erfahre ich später, 6:47 Minuten schneller als der Zweite Markus Joos. Für mich ist diese Leistung bis heute ein unvorstellbares Spiel aus Kraft und Willen. Da kämpfen tausende von Marathonis mit ihrem Traumziel, mal unter drei Stunden 42,195 Kilometer zu laufen und dieser Urs läuft diese Zeit auch noch bergauf. Zum Vergleich: Der Bus zurück ins Tal, bergab und auf einer kürzeren Route, benötigte eine Stunde. Aus meiner sportlichen Perspektive ist die Leistung eines Urs Christen einfach unmenschlich.
Dabei sieht der 37-jährige eigentlich ganz menschlich aus, wie er so beim Interview zufrieden auf der Bierbank sitzt. Der Schweizer Bergmeister hatte schon beim Jungfrau-Marathon viel Erfahrung gesammelt. 1996 belegte er mit 2:58 Stunden den zweiten Platz, 1998 mit 3:04 Stunden den fünften Platz. Fast die gleiche Zeit wie beim LGT-Alpin und trotzdem: „Das hier ist ein anderer Lauf“, unterstreicht er die Meinung des Veranstalter-Chefs. „Hier muss man sehr konzentriert laufen, wegen der Bergab-Passagen.“ Allerdings vermisste Christen ein wenig das erhabene Ziel. Beim Jungfrau-Marathon kommt man ganz oben an, das Ziel im Liechtensteiner Malbun dagegen liegt in einer Talsohle.
Dies bestätigt auch die schnellste Frau an diesem Tag, Vroni Steinmann, die mit ihren 44 Jahren den LGT-Alpin in 3:48,50 Stunden lief. Auch sie rannte schon mal beim Jungfrau-Marathon als zweite ins Ziel (3:41 Stunden), doch die Liechtensteiner Berghatz ist ihr lieber. „Während der Jungfrau-Marathon wegen des langen Flachstücks im Tal Straßenspezialisten entgegenkommt, gewinnt beim LGT-Alpin der Sportler mit viel Kraft“, interpretiert das athletische Allround-Talent ihre Erfahrung mit den Liechtensteiner 1888 Höhenmetern und 650 Meter bergab auf 42,195 Kilometer.
Sie selbst ging das Rennen im Rheintal sehr verhalten an. „Ich bin keine schnelle Läuferin, ich verbringe mehr Stunden mit dem Training auf dem Rad als in Laufschuhen.“ Was ihr letztlich die nötige Power in den Oberschenkeln für den Sieg in Liechtenstein bescherte.
Während die beiden Tagessieger in einem der wenigen Duschzelte verschwinden, winde ich mich immer noch bergauf. Jetzt ist Hüttenzauber angesagt, von den Almen jubeln die Wanderer. Bei Kilometer 35 mündet der breite Fahrweg in einen Pfad, der Puls kocht am Anschlag, Reserven habe ich keine. Und dieses verdammte Ding wird und wird immer steiler. Nichts ist es mit dem Planziel, alles zu laufen. Wie die anderen um mich herum unterstütze ich den Gehschritt mit einem Händedruck auf die Knie. Der Oberkörper ist dabei weit vorn übergebeugt. Und trotzdem, der Puls zeigt Maximum. Erst als die Läuferschlange das 1764 Meter hoch gelegene Fürkle erreicht, ist an Durchatmen zu denken. Doch nach diesem Hammer ist mein Schritt alles andere als geschmeidig und wieder rauscht die Startnummer 162 an mir vorbei. Woher nimmt die W50-Läuferin aus Ludwigsburg bloß diese Energie?
Eine Energie, die die Kraft nicht alleine aus den Muskeln zehrt, sondern aus dem Willen, etwas Besonderes zu vollbringen. Diese Kraft ist allen Teilnehmern gleich, egal ob er Urs Christen heißt oder Shirley Sirois, die extra aus Springborn in den Vereinigten Staaten nach Europa anreist, um nach 7:12, 16 Minuten auf der Liechtensteiner Marathon-Strecke einen persönlichen Sieg über sich und den „inneren Schweinehund“ zu feiern.
Auch Veranstalterchef Hannes Willinger besitzt mit seinen 48 Jahren viel von dieser besonderen Kraft. Nicht nur weil er nach seiner aktiven Zeit als Rad-Amateur schon 20 Jahre den Laufschuhen die Treue hält und damit fünfmal die Kleine Scheidegg des Jungfrau-Marathons eroberte. Nein, vielmehr deshalb, weil er aus diesem Erlebnisreichtum heraus für uns Läufer ein neues Erlebnis kreierte – den LGT-Alpin-Marathon. Die Idee hatte Schullehrer Willinger bereits vor knapp zwei Jahren. Alleine zog er durch das 160 Quadratkilometer kleine Liechtenstein, das auf 25 Kilometern Länge, 12 Kilometern Breite und 2600 Metern Höhe insgesamt 32000 Einwohnern Platz bietet. Er hat verschiedene Streckenabschnitte ausgekundschaftet, hat sich nach möglichen Startorten umgesehen, die er abhängig von den späteren Sponsoren wie ein Puzzle zusammenfügen konnte. Nach einem Jahr intensiver Brüterei hat er das Projekt bei einem Testlauf seinen Sportskameraden vorgestellt. Der Funke sprang über, im Herbst 1999 gründete Willinger einen Verein bestehend aus 19 Organisationsmitgliedern. Und die Sponsoren waren auch schnell bei der Hand. Die Liechtensteiner Bank kaufte sich als Titelsponsor ein, was den Läufern für ihr Startgeld eine Menge hochwertiger Andenken bescherte. Neben dem vergoldeten LGT-Schlüsselanhänger und dem T-Shirt durften sich die Finisher an einem aus Kristallglas mit Goldfassung geschliffenen Minilaufschuh freuen.
Auch ich freute mich riesig, als ich die Wortfetzen aus dem Streckenlautsprecher hier oben vernahm. Zu früh gefreut: Denn die Strecke führt auf Tuchfühlung am Ziel vorbei, nochmals brutal bergan auf eine Vier-Kilometer-Schleife am Talrand entlang – ständig mit Zielort Malbun im Blick.
So wie man einen störrischen Esel mit Rute und Mohrrübe in Bewegung setzt, treibt mich das ständig greifbare Ende des Marathons nochmal an. Kilometer 38, Kilometer 39, Kilometer 40 – die letzte Steigung ist geschafft, ich stapfe durch ein Schneefeld. Und plötzlich Halt: Obwohl es jetzt nur noch abwärts geht, krampft die Wade, Seitenstechen reißt in den Eingeweiden. Ich bleibe stehen, atme kurz durch und konzentriere mich auf einen entspannten Laufschritt. Trotz des verspäteten Marathon-Hammers drückt von ganz tief innen eine unbändige Freude. Du hast es geschafft, noch zwei Kehren hinab, ein Pfad zwischen zwei Vorgärten, das Publikum klatscht und jetzt nur noch die langen 200 Meter bis ins Ziel. „4:43:18 Stunden“, tönt der Streckensprecher, den ich die letzten vier Kilometer wie ein Durstender das Plätschern eines Baches belauschte. Ich sauge diesen Augenblick tief in mich hinein.

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