Ein Testläufer berichtet vom zweitgrößten Silvesterlauf Deutschlands in Bietigheim am 31. 12. 2002

Silvesterlauf Bietigheim 2002

Für running-pur waren Testläufer bei dieser Veranstaltung unterwegs. Sie sammelten Eindrücke, blickten hinter die Kulissen, um Ihnen, lieber Leser, ein Bild von der Qualität, dem Ambiente und der Stimmung zu verschaffen.
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Homepage des Bietigheimer Silvesterlaufs: www.bietigheimer-silvesterlauf.de


Bericht von Olaf Freerksen über den Bietigheimer Silvesterlauf 2002
][ zu Testberichten anderer Veranstaltungen ][
][ Olaf Freerksen ][


3500 Teilnehmer auf 10.56 km erfordern ein hohes Maß an Organisationstalent...

Noch immer schienen sich Gänsebraten, Zimtsterne und der gute ³Rote in meinem Körper wohl zu fühlen. Einiges von ihnen hatte sich zwischenzeitlich in meinen Fettzellen breit gemacht. Nein,. mit diesen Begleitern würde ich keine schnelle Laufzeit erreichen. So war ich zunächst froh, eine höhere Startnummer für einen mittleren Startblock beim 22.Bietigheimer-Silvesterlauf zugewiesen bekommen zu haben.

Die Einteilung in Startblöcke für schnelle und langsame Läufer ist eine gute Sache. Auch wenn hier mit Chip gelaufen wird, so ist bei einer Teilnehmerzahl von über 3500 eine gewisse ³Vorsortierung für ein reibungsloses Lauferlebnis sinnvoll, schließlich ist die Strecke mit 10,56km zu kurz dafür, sich am Anfang erst noch vorankämpfen zu müssen, bis man sein Lauftempo erreicht. Trotzdem ist eine solche Startblockeinteilung nicht das Allheilmittel, um allen ein zügiges Vorankommen zu ermöglichen. Das wird es wohl bei einem so großen Starterfeld auch niemals geben.

Tage zuvor hatte ich im Internet gestöbert und stolperte dabei über diesen Lauf, über den ich in der Zeitschrift „running-pur“ vor Jahren schon gelesen hatte. Der Internetauftritt war so gestaltet, dass ich mich irgendwie zum Laufen animiert fühlte. Nun lag Bietigheim ja auch nicht gerade vor meiner Haustür, und um am letzten Tag des Jahres noch mal insgesamt fast 200km mit dem Auto zu fahren, bedarf es schon eines besonderen Anreizes.

Die Streckenskizze im Internet war sehr hilfreich, um den schnellsten Weg zu den Parkplätzen zu finden, von denen es 1,5 Stunden vor dem Start noch reichlich gab. Beschilderungen fand ich jedoch leider keine. Das Start-/Zielgelände ist sehr weitläufig und dennoch übersichtlich. Es wird überragt von einem mächtigen Viadukt, auf dem die S-Bahn das Flüsschen Enz und das zugehörige Tal überquert. Die Startunterlagen sind schnell besorgt, weil sie für Voranmelder nach Anfangsbuchstaben des Namens ausgegeben werden und hinter jedem Buchstaben eine freundliche Person die Ausgabe bewerkstelligt. --- Ich stellte fest, dass in den Behältern noch jede Menge Umschläge auf ihre Abholer warteten. Doch das ist bei jedem Lauf dasselbe, die meisten Läufer/innen kommen erst in den letzten 45 Minuten vor dem Start und dann soll alles schnell schnell gehen. So machen sich immer wieder Nervosität, Hektik und Stress auf beiden Seiten bemerkbar; brauch man das vor einem Wettkampf? Mir blieb noch genügend Zeit, um einen Bummel über die kleine Läufermesse zu machen, den Stand der Olympiabewerbung Stuttgarts zu besuchen und der Vorstellung der Spitzenläuferinnen Frau Dörre-Heinig und Frau Zaituk zu lauschen.

Bei diesem Lauf geben sich stets einige nationale und internationale Größen des Laufsports ein Stelldichein. Mit 400,-Euro Siegprämie bei Männern und Frauen dürfte dies jedoch nicht der einzige Grund dafür sein. Auch die Strecke ist keinesfalls bestzeitenverdächtig. Vielleicht liegt es an der Atmosphäre und dem nicht zu verleugnenden Charme, den die Veranstaltung ausstrahlt. --- 15 Minuten vor dem Start begebe ich mich in meinen ³gelben Startblock. Das Wetter ist für einen Lauf durchaus brauchbar, für einen Silvestertag aber viel zu mild. Die wenigen Tropfen, die zwischenzeitlich herabfallen, stören nicht. Mit einem gewaltigen Knall wird das Feld gestartet, d.h. zuerst der ³weiße und der ³grüne Startblock, wir ³Gelben dürfen noch nicht losrennen. Mit Absicht wird das Flatterband von den Ordnern noch festgehalten, so ergibt sich eine kleine Lücke, die ein ungehindertes Loslaufen ermöglichen soll. Doch noch vor der Startmatte waren die ³Grünen erreicht und bremsten ein. Nach 1:05 Minuten überlief ich die Startmatte. Jetzt merkte ich, dass ich trotz meines Vorsatzes, langsamer zu laufen, viel zu weit hinten stand. Mehr als 1000 Läufer/innen befanden sich vor mir, von denen die meisten das Tempo jedoch sicherlich nicht als langsam empfanden. Also begann für mich ein einziges Dauerüberholen, doch wo war die Überholspur?

Der mir unbekannte Streckenverlauf der letzten Jahre war nach Aussage der Veranstalter gerade wegen der mangelnden Überholmöglichkeit geändert. Dies sollte durch den neuen Schleifenkurs über zwei unterschiedliche Runden geändert werden. Die Strecke führte denn auch nach 300m auf eine breite Straße. Die 800m lange Gerade ist jedoch eine einzige langgezogene Steigung. Oben auf dem ³Berg geht es nach einer scharfen Linkskurve wieder hinab und auf einer schmalen Brücke hinüber auf die andere Seite der Enz. Die Strecke wird immer schmaler. Der nun folgende Parkweg kann die Läufermassen kaum fassen, ein Ausweichen auf den Rasen ist unvermeidlich. Nach dem erneuten Überqueren der Enz geht es hinein in die Altstadt, teilweise über Kopfsteinpflaster, mit vielen rechtwinkligen Kurven und im ständigen Auf und Ab. Danach ist die erste Runde mit 4,66 km geschafft. --- Das Überholen führt für mich automatisch dazu, dass ich immer schneller werde. Die lange Gerade mit ihrer Steigung versuche ich im gleichmäßigen Tempo hinaufzulaufen. Beim Abwärtsstück weiche ich auf den schmalen Randstein aus. Ständige Tempowechsel sind angesagt auf dem Parkweg, um niemand in die Hacken zu treten. ³Unglaublich, so viele Läufer, vernehme ich vom Wegesrand. Wenn er wüsste, wie viel noch kommen werden. In der Altstadt ist Slalom angesagt, ein Ausweichen an den Rand ist nicht möglich, denn viele Tausend Zuschauer säumen hier den Kurs. ³Kuck mal, da läuft einer mit 'ner gelben Nummer, höre ich jemanden sagen. Scheinbar bin ich ein Exot im Umkreis der ³Weißen und ³Grünen. Kurz vor Ende der ersten Runde wird ein Stadttor durchlaufen, unter dem ein ³Drummer-Team Stellung bezogen hat. Das Dröhnen der Trommeln ist weithin zu hören, doch direkt unterm Stadttor vibriert der ganze Körper.

Der Verlauf der zweiten Runde mit 5,9 km ist ähnlich der ersten. In einem großen Bogen geht es wieder sehr wellig zunächst auf Parkwegen durch den weitläufigen ³Sportpark Ellental bevor man erneut die Enz überquert und die restliche Runde wie die erste verläuft. Insgesamt werden damit 10,56 km zurückgelegt. Da stellt sich einem die Frage, warum hat man diese mit Sicherheit exakt vermessene Streckenlänge nicht um ca. 11 m verkürzt um aus dem Lauf einen ³Viertelmarathon zu machen. Sowohl am Start als auch am Ziel wäre diese Verkürzung problemlos möglich gewesen. --- Auch auf der zweiten Runde bin ich weiterhin ständig am Überholen, jetzt macht es sogar Spaß und ich drücke noch einmal aufs Tempo. Auf der dem Start-/Zielgelände gegenüberliegenden Seite der Enz nach ca. 8,2 km höre ich, wie ein lauter Böllerschuss den Einlauf der Siegerin verkündet und der Name von Luminita Zaituk fällt. Noch einmal durch die Altstadt, die Stimmung ist prächtig. Erst jetzt, ca. 400m vorm Ziel werde ich selbst von Läufern überholt, die zum Endspurt ansetzen. Noch einmal geht es leicht bergan, dann ist es geschafft. Die Ergebnisliste zeigt mir später, dass ich von den mehr als 1000 Läufern, die vor mir gestartet waren, ca. 700 überholt haben muss. --- Nach dem Zieleinlauf steht ausreichend Verpflegung bereit, doch ob sie auch für die fast 3.200 noch folgenden Läufer gereicht hat? Bereits die gut 300 im Ziel befindlichen Läufer/innen vermengen sich mit unzähligen Zuschauern. Schade, dass man hier für die Läufer/innen keinen eigenen Zielbereich geschaffen hat. Insgesamt ist die Organisation aber zu loben. Das Problem des Laufes, wenn es eines gibt, liegt in der gewaltigen Masse der Teilnehmer/innen und der dafür noch immer zu schmalen Strecke. Doch gerade dies scheint den besonderen Charakter des Laufes auszumachen. Massenerlebnisse stehen in unserer Gesellschaft hoch im Kurs und schließlich sollte man einen Lauf am Jahresende nicht zu ernst nehmen.

Ich hatte den Lauf letztendlich genossen, wobei das Gefühl des ständigen Überholens mal etwas ganz anderes war. So fand das Jahr 2002, das für mich ein ganz besonderes Laufjahr war, 16 Jahre nach meinem ersten Marathonlauf konnte ich im September meinen 100.Marathon feiern, mit dem Bietigheimer-Silvesterlauf einen würdigen Abschluss. Gänsebraten, Zimtsterne und der gute ³Rote hatten wohl auch Gefallen an der Strecke und blieben dort, denn irgendwie fühlte ich mich hinterher leichter. Doch zu Hause warteten zum Jahreswechsel bereits Fondue, Knabbergebäck und ein spritziger Sekt auf mich. Grund genug, bereits im neuen Jahr wieder auf die Asphaltpiste zu gehen, z.B. bei einem der traditionellen Dreikönigsläufe.

Ein frohes neues Jahr wŸnscht Olaf Freerksen


Bericht von Michael Dorfi über den Bietigheimer Silvesterlauf 2002
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3500 Teilnehmer auf 10.56 km erfordern ein hohes Maß an Organisationstalent...

Der 22.Silvesterlauf in Bietigheim, eine rundum gelungene Veranstaltung. Wie bestellt, blieb der Regen und das schlechte Wetter vor und während des Laufes aus. Bei den vielen Nachmeldungen, der Ausgabe der Startunterlagen, der gesamten Organisation "Rund um den Silversterlauf" war das freundliche, eingespielte und große Organisationsteam jederzeit "Herr/Frau der Lage". Der Silvesterlauf konnte so rechtzeitig beginnen.

Die Blockeinteilung beim Start (gar nicht zu vergleichen mit dem Start beim Silvesterlauf 2001!!) hat genauso zum guten gelingen des Silversterlaufes beigetragen wie die geänderte Streckenführung. Beide Änderungen haben sich bewährt. Ein absoluter Pluspunkt und Motivationsfaktor war das "Olympia2012reife" Publikum. Die Stimmung an der gesamten Strecke: Einmalig! Während des gesamten Laufes wurden alle Läuferinnen und Läufer frenetisch angetrieben. Bei der La Ola-Welle in der Altstadt hätte ich fast mitgemacht.
Das Drumer-Team am Torbogen: Super!
Nur schade, daß die warmen Getränke vom Sponsor für die Schlußläufer nicht mehr ausreichten. Schade auch, daß der Regen dann doch noch pünktlich zur Siegerehrung kam. Vieleicht überlegt sich das Organisationsteam nächstes Jahr die Siegerehrung in dem oberen Bereich der Halle durchzuführen.

Michael Dorfi