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Inferno Halbmarathon am 17. August 2002

10. Inferno Halbmarathon im Berner Oberland - Schweiz


 

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Ein Erlebnisbericht von Martin Fehrle
Ich bin nur den Halbmarathon gelaufen, den teuflischen Berglauf, der es in sich hat: 21,1 km Länge bei einer Höhendifferenz von 2.175 Metern. Aber trotzdem war es eben nur der Halbmarathon, denn "Inferno" bedeutet weit mehr: Die wirklich infernalische Veranstaltung an diesem Tag, dem 17. August 2002 war der Triathlon: 3.1 km Schwimmen im Thuner See, 86 km Rennrad - 2.145 Höhenmeter, 31 km Mountain Bike - 1.180 Höhenmeter und schließlich der Berglauf, 25 km - 2.175 Höhenmeter. Und so beantwortete ich die Frage, was ich gelaufen sei mit dem Satz: "Ich bin nur den Halbmarathon gelaufen." Der nachfolgende Bericht schildert die Eindrücke vom 10. Inferno-Halbmarathon.
Weit oben in der großartigen Bergwelt des Berner Oberlands scheint bereits die Sonne und läßt auf einen schönen klaren Tag hoffen. Hier unten, tief im Tal bei Lauterbrunnen ist es noch schattig. Die Luft ist angenehm kühl, Morgentau liegt auf den saftig grünen Wiesen. In etwa einer Stunde wird auf dem Campingplatz "Jungfrau" der Startschuß zum 10. Inferno-Halbmarathon erfolgen. Die Anmeldeformalitäten habe ich trotz ca. 500 Teilnehmern schnell erledigt, die Schweizer sind in der Organisation von Laufevents kaum zu übertreffen! Es bleibt genügend Zeit, sich mit Lauffreunden zu unterhalten, etwas locker einzutraben oder sich die Beine mit bereitstehenden Massagemitteln einzureiben. Links und rechts vom Tal erheben sich senkrechte Felswände mehrere 100 Meter in die Höhe.
Wasserfälle rauschen stiebend in die Tiefe. Ganz weit oben liegen die schneebedeckten Gipfel der Viertausender in gleißender Morgensonne. Es ist 10:05 Uhr, Zeit zur Startaufstellung. Die Sonne hat inzwischen die Talsohle erreicht. Der Blick nach vorne fällt auf den mächtigen Staubbachwasserfall. Freudenschauer laufen mir den Rücken runter. Es hat etwas Erhabenes, diesen Lauf vor sich zu haben, diese große Höhendifferenz bis zum Gipfel. Hier auf 800 Meter Meereshöhe ist die Vegetation saftig. Nachher im Hochgebirge wird es nur Felsen und vielleicht sogar Schneefelder geben. Die Läuferschar hat sich hinter der Startlinie gesammelt, Anspannung, vier..., drei..., zwei..., eins...., Start, 10:15, Uhren werden gedrückt.
Der erste Kilometer ist nahezu eben - doch Vorsicht - nicht zu schnell, 30 Sekunden, die man jetzt gewinnen könnte, wird man viel später gewaltig büßen. Im Ort Lauterbrunnen feuern begeisterte Zuschauer an, Guggenmusik trommelt im Rhythmus der Laufschritte. Und schon biegen wir links ab. Die Steigung beginnt, nicht zu heftig, aber merklich. Wir laufen über einen Fahrweg langsam den Hang hoch. Die Sonne scheint kräftig, aber zwischendurch spenden Bäume Schatten. Bei Kilometer 3 kommt die erste Verpflegungsstation, viel Trinken ist wichtig, denn in der trockenen Hochgebirgsluft verlieren wir mehr Wasser, als man denkt. Bis Kilometer 6 läßt es sich ohne allzu große Anstrengung traben. Die Pulsuhr signalisiert "Puls im grünen Bereich" - nur nicht zu schnell werden. Und jetzt wird die Strecke erstmalig richtig steil. Wir erklimmen den Berg entlang einem schmalen Waldpfad. Vorbei geht's an Tannenbäumen und schließlich über eine grüne Wiese.
Hier ist Gehen sinnvoll. Bei dieser Steigung ist man im Laufschritt eigentlich nicht mehr schneller. Glücklicherweise dauert der steile Pfad gerade mal etwas mehr als einen Kilometer. Verpflegung folgt, nicht nur Flüssiges - es gibt Bananen und Schokoriegel. Die Strecke wird nun richtig erholsam. Keine große Steigung, breiter Fahrweg durch einen Wald, danach saftige grüne Bergwiesen mit braunbunten Kühen. Ab dem 10. Kilometer wir es eben. Und die Aussicht! Links vom Weg rattert gerade die rote Schmalspurbahn nach Mürren vorbei. Fröhliche Fahrgäste winken aus den offenen Fenstern. Hinter dem Gleis dichter Tannenwald, blauer Himmel und die weißen Gipfel von Eiger Mönch und Jungfrau. Gute kühle Luft, Sonnenstrahlen auf der Haut, all das spornt an!
Bald erscheinen die Hotels von Mürren auf 1.600 Meter Höhe. 800 Meter haben wir erklommen. Der Start weit unten im engen Lauterbrunner Tal, ist von hier nicht mehr zu sehen. "Heiijaaa, heiijaaa!" oder "hoppp, hoppp, hoppp!" feuern in Mürren Touristen, darunter viele Japaner, die bunte Läuferschar an. Die Strecke wird ganz eben, macht einen Schlenker durch das gemütliche Dorf. Vorbei geht's an braunen Holzhäusern mit Blumenbeeten davor. Bald verkündet eine Tafel, dass 13 Kilometer bewältigt sind. Ich rechne: Höhendifferenz insgesamt fast 2.200 Meter minus 800 Meter. Na ja, bleiben 1.400 Meter und die auf den noch verbleibenden 8 Kilometer verteilt!!! Der Lauf könnte wirklich infernalisch - teuflisch werden.
Wieder Verpflegung und danach beginnt der Weg zu steigen -merklich zu steigen. Noch kann ich joggen, zumindest einige 100 Meter, doch dann ist Gehen die bessere Wahl. Mürren bleibt unten zurück. Der Pfad führt an niederen Sträuchern vorbei, die Baumgrenze kommt in Reichweite. Über einige Stufen windet sich der Weg über eine Almweide den Hang hoch. In der Ferne weiden Kühe. Ihre Glocken klingen bis zu uns Läufern rüber. Und wieder Verpflegung, reichhaltige Auswahl. An einem Brunnentrog kann man sich abkühlen.
Es folgt das Kanonenrohr - richtig die Skiabfahrt, Schwierigkeitsgrad absolut schwer. Für uns bedeutet das bergauf steil, nein steiler, ja am steilsten. Hier ist Gehen obligatorisch. Trotzdem fällt jeder Schritt schwer, Schweiß rinnt über die Stirn. Schritt für Schritt erklimmt man Höhe. Die Verpflegungsstation, an der man gerade getrunken hat, liegt bereits ganz unten. Das ermutigt! Aber - oh je, ganz fürchterlich weit oben erklimmen viele Läufer den Berg. Also es gilt durchzuhalten. Die Kilometer werden sehr lang bei dieser extremen Steigung durch das Kanonenrohr. Der Untergrund ist sandig und steinig.
Endlich. Die Strecke wird flacher. Ein Bachlauf plätschert. Der Pfad führt über Hochgebirgswiesen, auf denen immer wieder große Felsen liegen. Trotzdem macht die Steigung zu schaffen. Schließlich ist man nicht mehr frisch, das Kanonenrohr hat gewaltig Kraft gekostet. Eine Kuppe wird erreicht, Verpflegung, diesmal mit Cola, das tut gut. Der Blick nach vorn fällt auf ein steiniges karges Tal. Kaum mehr Vegetation gedeiht in dieser Höhe. Unser Wanderweg ist fast eben, bis am Ende des Tals nach 1,5 Kilometern ein weiterer Anstieg an Schneefeldern vorbei folgt. Heute vor einer Woche schneite es hier auf ca. 2.550 Meter Höhe. Nach diesem kurzen Anstiegs erreichen wir einen Pass. Auf der anderen Seite fällt der Blick auf einen grünblauen kalten Bergsee, der weit unten liegt. Der steinige Weg wird bis zur letzten Verpflegungsstation kurz vor Kilometer 20 fast flach. Ganz weit oben, unendlich weit oben erscheint erstmalig der Schilthorngipfel - unser Ziel. Aber bis dahin sind es zwar lediglich etwas mehr als ein Kilometer, dafür aber über 300 Meter Höhenunterschied! "Das darf doch nicht wahr sein!" meint eine Läuferin zu mir. "Doch!" antworte ich. "Aber es ist nicht so schlimm, wie es aussieht, das Kanonenrohr war viel härter", tröste ich sie. Ich kenne die Strecke von den letzten Jahren. Ich nehme zum dritten und sicherlich nicht zum letzten Mal teil.
Nun gilt es sehr genau auf den Weg zu achten. Immer wieder muß man über Felsen klettern oder steile Stufen erklimmen. Schnell gewinnt man Höhe und die letzte Verpflegungsstation bleibt tief unten zurück. Noch 500 Meter verkündet eine Tafel - trotzdem liegt das ersehnte Ziel immer noch sehr weit oben. Ein schmaler Grat, der beidseitig durch Netze gesichert ist, folgt. Links und rechts liegen steile Abgünde. Das letzte Stück - Schritt für Schritt, jeder mit Bedacht ausgeführt, kommt das Ziel endlich näher. 21 Kilometer und noch immer geht's steil bergan. Eine Felstreppe folgt, danach eine gute Treppe bis zur Plattform, 30 Meter eben auf der Plattform - das Ziel - geschafft, ich habe es geschafft, diesen Berglauf, den teuflischen Berglauf habe ich zum dritten mal gefinisht!
Noch schnaufe ich kräftig und beginne mich an dem grandiosen Panorama zu freuen. Einfach unbeschreiblich, nach 21,1 Kilometern und 2.175 Höhenmetern hier zu stehen, es hat etwas Erhabenes! Ringsum fällt der Blick auf schneebedeckte Hochgebirgsgipfel und ganz weit unten sehe ich die grünen saftigen Täler, wo wir vor 3 Stunden und 20 Minuten gestartet sind.
Doch zurück zur Wettkampfrealität. Insgesamt erreichten 476 Läufer und Läuferinnen das Ziel. Schnellster Läufer: Martin van Känel, Zeit 2:05:46 Stunden, Schnellste Läuferin: Angela Mudre, Zeit: 2:16:34 Stunden. Erwähnt werden muß, dass neben dem Halbmarathon die Möglichkeit besteht, die Strecke als Dreierstaffel zu bewältigen! Weitere Informationen zum Berglauf oder zum
Triathlon findet man im Internet: "www.inferno.ch". Und es empfiehlt sich, nicht nur zum Lauf anzureisen, sondern einige Tage Urlaub im gemütlichen Bergdorf Mürren - dem Zentrum der Infernoveranstaltung - zu verbringen. Dort findet man Übernachtungsmöglichkeiten in Pensionen oder Hotels verschiedener Kategorien. Besonders zu empfehlen ist das Dreisterne Hotel "Alpenruh" ein Betrieb der Schilthornbahnen, dem Hauptsponsor der Infernorennen. Und nicht zu vergessen ist das dicke Lob, das an alle Helferinnen und Helfer geht, an alle die mit ihrem Einsatz dazu beigetragen haben, dass wir Läufer wieder eine tolle
Infernoveranstaltung hatten.
Martin Fehrle